Chronologie der Ereignisse

25. August 2018

Am 25. August 2018 feiert die Stadt Chemnitz ihren 875. Geburtstag. Erwartet werden 250.000 Besucher*innen. Am Abend kommt es zu Streitigkeiten zwischen der Gruppe um Daniel H. und einer Gruppe von People of Color. Im Verlauf des Streits wird Daniel H. durch Messerstiche tödlich verletzt und verstirbt kurz darauf im Krankenhaus.

26. August 2018

Am frühen Morgen verbreiten verschiedene lokale rechte Strukturen über Social Media Kanälen wie Facebook und Telegram rassistische Falschmeldungen: Daniel H. hätte eine „deutsche“ Frau vor sexuellen Übergriffen geschützt. Die AfD meldet eine Demonstration an, an der sich circa einhundert Personen beteiligen. Die rechte Hooligangruppierung „Kaotic Chemnitz“ schafft es, 800 Faschist:innen für ihre Kundgebung am Karl Marx Monument zu mobilisieren. Im Anschluss ziehen sie durch die Innenstadt und greifen People of Color an. Internationale Medien berichten von den Hetzjagden. (1) (2)

27. August 2018

Die Opferberatungsstelle der RAA Sachsen e.V. veröffentlicht am frühen Morgen eine Warnung auf ihrer Webseite: „Auch wenn es uns schwer fällt, diesen Gedanken auszusprechen, empfehlen wir Migrant:innen die Innenstadt am Nachmittag großflächig zu meiden“.

Die rechte Wähler*innenvereinigung „Pro Chemnitz“ wittert die Chance einer bundesweiten rechten Mobilisierung. Ihrem Aufruf folgen 6000 Teilnehmer*innen. Unter ihnen ein Sammelsurium rechter Strukturen: Von der NPD und der Jugendorganisation JN, der neonazistischen Kleinstpartei „Die Rechte“ aus Dortmund, vom „Dritten Weg“ zu Hooligans und Kampfsportlern, der „Identitären Bewegung“ und der „AfD“. Der erste rechte Schulterschluss vollzieht sich.

An einer Gegendemonstration beteiligen sich 1500 Personen, die im Laufe des Tages bedroht, beleidigt und mit Flaschen und Pyrotechnik beworfen werden. Abreisende Antifaschist*innen werden angegriffen.

Im Nachgang der rassistischen Massendemonstration wird am Abend das jüdische Restaurant „Shalom“ von einer mindestens zehnköpfigen Gruppe mit Pflastersteinen angegriffen. Drei Jahre später wird in Chemnitz nur der niedersächsische Neonazi Kevin A. wegen gefährlicher Körperverletzung und schwerem Landfriedensbruch zu einer Freiheitsstrafe auf Bewährung von einem Jahr verurteilt. (3)

29. August 2018

Die AfD Landesverbände Sachsen, Thüringen und Brandenburg mobilisieren gemeinsam mit Pegida zu einem Schweigemarsch in Chemnitz, um den „Opfern der illegalen Migrationspolitik“ zu gedenken.

30. August 2018

Der sächsische Ministerpräsident (CDU) Michael Kretschmer führt zusammen mit der Oberbürgermeisterin Barbara Ludwig (SPD) im Stadion an der Gallertstraße vor 500 Zuhörer*innen das „Sachsengespräch“. Vor dem Stadion beteiligen sich insgesamt 1000 Demonstrierende an einer Kundgebung der extrem rechten Wähler*innenvereinigung „Pro Chemnitz“.

01. September 2018

Am 01. September spitzt sich die rechte Mobilisierung zu. Erneut kommt es zu einem bundesweiten Schulterschluss der extremen Rechten. Circa 5000 bis 8000 Faschist:innen kommen nach Chemnitz, um zu demonstrieren und ihre rechte Ideologie auf die Straße zu tragen. In den ersten Reihen stehen zahlreiche AfD Funktionäre, die dem rechten Flügel rund um Björn Höcke zugerechnet werden können. In ihrer direkten Nähe: Lutz Bachmann, der Anführer von Pegida aus Dresden. Auch die Identitäre Bewegung ist mit Martin Sellner und Patrick Lehnert vor Ort. Mit ihnen dabei: Götz Kubitschek, selbsternannter Vordenker der „Neuen Rechten“ und Herausgeber der „Sezession“. Hinzu kommen rechte Kampfsportler und Nazi Hooligans wie Lasse Richei und Pierre Bauer.

Die Demonstration der Faschist*innen wird aber heute gestoppt. Denn auch Antifaschist*innen und eine breite Zivilgesellschaft mobilisieren bundesweit für diesen Tag nach Chemnitz. Mehrere Blockaden hindern die rechte Demonstration daran zu laufen. An den Gegendemonstrationen und Kundgebungen nehmen 3000 bis 4000 Personen teil. Im Verlauf des Tages eskaliert mehrmals die Situation vor Ort. Journalist*innen werden tätlich angegriffen. Abseits der Demonstration wird ein 20 jähriger Migrant von vier vermummten Nazis zusammengeschlagen.

Am Ende der Demonstration, als sich eine aus Marburg angereiste Gruppe auf dem Rückweg zum (von der SPD Marburg gestellten) Bus befindet, ereignet sich der Angriff: Vermummt und mit Schlagstöcken und weiteren Waffen ausgestattet, stürmen 15 bis 20 Neonazis auf die Gruppe zu. Einige Personen erleiden Tritte und Schläge. (4)

03. September 2018

Unter dem Motto und Hashtag „#Wirsindmehr“ findet in der Chemnitzer Innenstadt ein kostenloses Konzert mit namhaften Musiker*innen und Bands statt. Es kommen 65.000 Besucher*innen.

Der sächsische Verfassungsschutzbericht für das Jahr 2018 listet das Konzert als Beispiel für das Agieren der „linksextremistischen“ Szene auf. Begründet wird diese absurde Einschätzung mit „Nazis raus“ Parolen und dem Schwenken der Fahnen der „Antifaschistischen Aktion“. (5)

Die darauffolgenden Monate

In fast wöchentlichen Takt, finden in den darauffolgenden Monaten rechte Demonstrationen statt, die von „Pro Chemnitz“ angemeldet und durchgeführt werden. An diesen Demonstrationen beteiligen sich bis zu 1000 Teilnehmer*innen.

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1: Chemnitz Fußballszene  (Der Rechte Rand – Ausgabe 174) 

2: Das Experimentierfeld für den Aufstand (Der Rechte Rand – Ausgabe 173)

3: Angriff auf jüdisches Restaurant Shalom in Chemnitz – Neonazi Kevin Arbeit zu Bewährungsstrafe verurteilt  (Antifa Recherche Chemnitz)