Sächsische Verhältnisse

Die rechte Gewalt, die im Zuge der Massenmobilisierung 2018 in Chemnitz geschah, wurde schon in den ersten Tagen der Übergriffe verharmlost und bagatellisiert. Der sächsische Ministerpräsident Michael Kretschmer verlautete in einer offiziellen Regierungserklärung folgende Worte: „Es gab keinen Mob, es gab keine Hetzjagd, und es gab keine Pogrome in dieser Stadt“ (1). Im weiteren Verlauf lobte er die Polizei für ihr Vorgehen, obwohl diese es offensichtlich nicht schaffte dem rechten Mob Einhalt zu gebieten und People of Color, Gegendemonstrant*innen und Journalist*innen zu schützen. Mit Aussagen wie „Ich habe viele getroffen, die sagen: Wir sind doch nicht alle rechtsradikal! Und ich habe geantwortet: Ich weiß!“ verharmlost Kretschmer die rechte Gewalt auf den Straßen.

Nicht zu vergessen sind auch die Aussagen des ehemaligen Verfassungsschutzpräsidenten Hans-Georg Maaßen. Maaßen machte im Zeitraum der rassistischen Ausschreitungen in Chemnitz 2018 Schlagzeilen, indem er die Hetzjagden anzweifelte und das bekannte „Hasi-Video“ als eine Fake-Produktion der „Antifa“ darstellte (2). Im Nachgang wurde Hans-Georg Maaßen von seinem Amt versetzt und schließlich am 5. November 2018 entlassen. Seit dem 28. Januar 2023 ist er Bundesvorsitzender der Werteunion der CDU: einer Struktur, die versucht Verknüpfungen und Freundschaften zur AfD aufzubauen. Maaßen selbst macht immer wieder aufgrund von verschwörungstheoretischen, antisemitischen und rassistischen Aussagen auf sich aufmerksam.

Die bürgerliche Mitte mit ihrer Volkspartei der „CDU“ bedient sich der Logik der Extremismustheorie, nach der es rechts und links extremistische Ränder gebe, die nicht mit der deutschen Gesellschaft vereinbar seien. Die „Mitte“ dagegen seien die braven Bürger*innen und guten Demokrat*innen. Eine solche ideologische Betrachtungsweise verkennt, dass rechtes Gedankengut tief in der Gesellschaft vorzufinden ist und, aktuellen wissenschaftlichen Studien zufolge, zunimmt. Mit der Gleichsetzung von Rechts und Links werden die ideologischen Voraussetzungen und Unterschiede gleichgesetzt. Antifaschismus sei demnach genauso gefährlich wie rechter Terror. Die Ideologie der Extremismustheorie führt dazu, dass die „bürgerliche Mitte“ bei rechter Gewalt wegschaut oder gar mitmischt. Schnell werden Narrative bei Demonstrationen gesponnen von „Auseinandersetzungen zwischen Links und Rechts“, wenn es darum geht, dass Gegendemonstrant*innen, wie im Fall von Chemnitz 2018, von Faschist*innen angegriffen werden. Die Extremismustheorie führt letztendlich zu einer Entdemokratisierung der Gesellschaft und einer Entpolitisierung der Zivilgesellschaft. Staatliche Akteur*innen in Sachsen sind Meister in der Reproduktion dieser Verhältnisse.

Während die rechten Gewalttäter der Übergriffe von Chemnitz 2018 glimpflich davonkommen, Betroffene fünf Jahre lang warten und ihnen ihre Glaubwürdigkeit abgesprochen wird, findet besonders in Sachsen eine Kriminalisierung von Antifaschismus statt. Die unsäglichen „Antifa Ost Verfahren“ und die Verurteilung von Lina und weiterer Antifaschist*innen zeigt auf, wo das Augenmerk sächsischer Behörden liegt. Innerhalb von kürzester Zeit wurden die Verfahren eingeleitet und die Antifaschist*innen unter dem Vorwand der Bildung einer kriminellen Vereinigung verurteilt. Dies geschah mit einem Verfolgungswillen und einer großangelegten medialen Kampagne. Im Vergleich zeigt sich immerwieder: Der Staat ist auf dem rechten Auge blind. (3)

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1: „Es gab keinen Mob, es gab keine Hetzjagd“ (Spiegel Online)

2: Der Rechtsruck der Mitte (Antifa Info Blatt 121)

3: Kampagne „Soli Antifa Ost“